Wärmebildtechnik
Die Oberflächentemperatur von Objekten als auch von Lebewesen kann mit Infrarot-Wärmebildkameras aus der Ferne und ohne direkten Kontakt gemessen werden. Diese Kameras zeichnen den entsprechenden Temperaturwert für jedes Pixel in einem Bild auf, und über mehrere Nachbearbeitungsschritte können wir feststellen, wie sich die Temperatur innerhalb eines bestimmten Bereichs im Laufe des Videos verändert hat.
Warum interessieren uns Temperaturmessungen im Bereich der vergleichenden Psychologie?
Die Temperatur gewisser Bereiche der menschlichen Haut schwankt - auch unter konstanten Wetterbedingungen - ständig. Diese Schwankungen hängen zumindest teilweise mit Veränderungen der Aktivität des autonomen Nervensystems zusammen und sind daher von den Emotionen abhängig, die wir erleben. Wenn wir zum Beispiel Stress, Angst oder Schuldgefühle empfinden, sinkt die Temperatur der Nase. Der gleiche Effekt wurde nachgewiesen, wenn wir eine uns nahestehende Person in einer unangenehmen Situation beobachten oder wenn wir eine anspruchsvolle geistige Aufgabe bewältigen. Aber auch starke positive Emotionen wie Freude (wenn wir herzhaft lachen) können die Temperatur der Nase senken.
Die ersten Wärmebildstudien mit nicht-menschlichen Primaten haben gezeigt, dass Emotionen auch die Nasentemperatur von Affen beeinflussen. So wurden Schimpansen im Leipziger Zoo Aufnahmen von streitenden Artgenossen vorgespielt. Daraufhin sank die Nasentemperatur der Affen um mehrere Grad Celsius (Kano et al., 2016). Ähnliche Ergebnisse wurden auch bei Schimpansen in freier Wildbahn erzielt (Dezecache et al., 2017). Dies zeigt, dass Schimpansen es generell sehr spannend finden, Kämpfe zwischen Artgenossen zu beobachten. In einer anderen Studie beobachteten Schimpansen, wie sich ein ihnen bekannter Mensch (scheinbar) versehentlich verletzte (Sato et al., 2019). Auch hier konnte ein Absinken der Nasentemperatur beobachtet werden, was darauf schließen lässt, dass die Tiere eine Art Empathie mit dem Menschen empfunden haben könnten oder dass die Beobachtung der Verletzung zumindest eine gewisse Erregung auslöste. Es gibt auch erste Hinweise darauf, dass starke positive Emotionen, wie etwa beim ausgelassenen Spielen, bei Affen zu einer Senkung der Nasentemperatur führen (Chotard et al., 2018; Heintz et al., 2019).
Die Wärmebildtechnik ermöglicht es uns also, kontaktlos und nicht-invasiv Einblicke in die Gefühlswelt unserer engsten lebenden Verwandten zu gewinnen. Da die Technologie flexibel und mobil einsetzbar ist, können wir die Nasentemperaturmessungen in den unterschiedlichsten Situationen durchführen: Als Reaktion auf Videostimuli in einem kontrollierten Studienaufbau sowie während natürlicher Interaktionen zwischen Affen in ihrer sozialen Gruppe.
Unser Ziel ist es, die Wärmebildtechnik in der Forschung mit Menschenaffen weiter zu etablieren und dadurch mehr Wissen über die Emotionen von Schimpansen, Bonobos, Gorillas und Orang-Utans zu gewinnen. Dieses neu gewonnene Wissen wird es uns ermöglichen, die evolutionären Ursprünge unserer eigenen Gefühlswelt besser zu verstehen.