Abteilung für Archäogenetik
Direktor: Prof. Dr. Johannes Krause
Die Abteilung für Archäogenetik nutzt aktuelle Entwicklungen im biomolekularen Bereich, wie etwa zu genomweiter DNA-Sequenzierung, um ein völlig neues Spektrum an Informationen aus Quellen wie anthropologischen und archäologischen Sammlungen zu erschließen. Auf der Basis von winzigen Proben ist es nun möglich, detaillierte Informationen über genetische Beziehungen, geographische Ursprünge, Selektionsprozesse oder genetische Strukturen von historischen und prähistorischen humanen, pflanzlichen, tierischen oder gar pathogenen Organismen zu gewinnen.
Die Abteilung für Archäogenetik (DAG) konzentriert sich auf die Gewinnung genetischer Datensätze der vergangenen 20.000 Jahre eurasischer Geschichte, um bestehende historische Hypothesen zu untersuchen. Ein Schwerpunkt wird die Rekonstruktion der europäischen genetischen Populationsstruktur zu verschiedenen Zeitpunkten sein, um etwa historische Migrationsbewegungen und Beziehungen von Populationen untereinander auszuwerten. Dieser Ansatz kann auf mehreren Ebenen angewendet werden - lokal beispielsweise zur Untersuchung der geographischen Herkunft der Minoer und Mykener; oder auf globalerer, west-eurasischer Ebene zur genetischen Analyse der großen Migrationsbewegungen im ersten Jahrtausend nach Christus. Solche Daten sind von unschätzbarem Wert für ein besseres Verständnis der Zusammenhänge zwischen historischen Ereignissen, kulturellen Veränderungen und tatsächlichen Bevölkerungsbewegungen.
Ein zweiter Schwerpunkt der DAG liegt auf Wirt-Pathogen-Interaktionen über lange Zeiträume, um konkrete Belege über Herkunft, Erreger, Verbreitung und Entwicklung der wichtigsten menschlichen Infektionskrankheiten bereit zu stellen, z. B. Tuberkulose, Pest, Lepra oder Syphilis. Die neolithisch-zoonotische Ursprungs-Hypothese für die meisten menschlichen Krankheitserreger kann direkt durch Genom-Analysen moderner und historischer Erregerstämme getestet werden. Die Frequenz menschlicher immun-relevanter Gene vor bzw. nach größeren Krankheitsausbrüchen, wie zum Beispiel der spätantiken justinianischen Pest oder des „Schwarzen Todes“, wird Auskunft geben über den Einfluss von Krankheitserregern auf das menschliche Erbgut im Laufe der Geschichte. Darüber hinaus werden genom-weite Vergleiche von historischen und modernen Krankheitserregern erlauben, die Anpassungsmuster von Erregern auf den menschlichen Wirt zu rekonstruieren.
Ein dritter Forschungsschwerpunkt der DAG untersucht durch Menschen beeinflusste Transformationen biologischer Ressourcen wie Pflanzen und Tiere während der letzten 12.000 Jahre. Archäologisches Material und Herbarien oder auch Museumssammlungen stellen eine enorme Ressource dar für die genetische Rekonstruktion verschiedener Schritte der gezielten Selektion und Adaption während der Domestizierung von Pflanzen und Tieren. Manche Evolutionsbiologen scherzen, es seien die Nutzpflanzen, welche die Menschen domestiziert hätten – tatsächlich ist klar, dass diese Prozesse menschliche Gesellschaften transformiert und umfangreiche Erweiterungen und Migrationen ausgelöst haben.
Für die Gewinnung und Verarbeitung derart großer Datenmengen zur Analyse historischer Fragen wurde ein modernes Labor zur Genanalyse inklusive Reinraumanlagen und Molekularbiologie-Labore aufgebaut, sowie eine IT-Umgebung geschaffen, welche die Verarbeitung und Analyse großer Datensätze bewältigen kann.