Im Issa Valley in Tansania untersuchten Forschende in einer so genannten Savannen-Mosaik-Landschaft, wie sich offene Lebensräume – im Vergleich zum Lebensraum Regenwald – auf das Verhalten erwachsener Schimpansen auswirken. Entgegen den Erwartungen nahm das arboreale Verhalten nicht ab, aber die Forschenden beobachteten deutliche Geschlechtsunterschiede: Erwachsene Weibchen hielten sich häufiger auf Bäumen auf als erwachsene Männchen. Überraschenderweise bewegten sich alle Tiere häufiger hangelnd fort, was darauf hindeutet, dass dies eine adaptive Strategie zur Navigation in lichten Baumkronen sein könnte. Diese Ergebnisse stellen bisherige Annahmen zum Verhalten von Homininen in Zusammenhang mit dem Lebensraum in Frage und könnten unser Verständnis der Evolution der Homininen grundlegend verändern.
Wie sich Schimpansen an offene Lebensräume anpassen
Viele Fossilien früher Homininen sind mit Savannen-Mosaik-Paläohabitaten assoziiert. Die Rekonstruktion des Verhaltens von Homininen in offenen Habitaten ist entscheidend, um besser zu verstehen, in welchem Selektionskontext sich hominine Merkmale wie der aufrechte Gang entwickelt haben. Verhaltensrekonstruktionen sind jedoch nur begrenzt möglich, da es nur wenige Studien über Menschenaffen in ähnlichen Lebensräumen gibt. Rhianna Drummond-Clarke, Doktorandin in der Abteilung für die Menschliche Ursprünge am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, und ihre Kollegen haben sich daher zum Ziel gesetzt, erstmals das Positionsverhalten (Positionierung und Fortbewegung) erwachsener Schimpansen in einem Savannen-Mosaik-Habitat im Issa Valley in Tansania im Detail zu untersuchen. Ergänzend zu früheren Studien, die die Bedeutung der arborealen Nische für Schimpansen in einem offenen Lebensraum belegen (Drummond-Clarke et al., 2022), wurde in dieser neuen Studie untersucht, ob es bei Issa-Schimpansen größere Geschlechtsunterschiede in Bezug auf Arborealität und Positionsverhalten gibt als bei ihren im Regenwald lebenden Artgenossen.
Kletterverhalten in offenen Lebensräumen
Über einen Zeitraum von 15 Monaten führten die Forschenden Verhaltensbeobachtungen durch. Dabei verglichen sie das Positionsverhalten von erwachsenen Schimpansenweibchen und -männchen aus Issa mit den Ergebnissen früherer Studien zu im Regenwald lebenden Schimpansengruppen. “Wir haben festgestellt, dass arboreales Verhalten bei Schimpansen beider Geschlechter in offenen Lebensräumen nicht abnimmt. Es kann jedoch zu geschlechtsspezifischen Unterschieden im Positionsverhalten kommen, wobei sich Weibchen häufiger in den Bäumen aufhalten als Männchen”, sagt Drummond-Clarke. “In offenen Lebensräumen sind die Tiere im Vergleich zum Wald einem besonders hohen Druck ausgesetzt, zum Beispiel durch Raubtiere. Das könnte den hohen Grad an Arborealität erklären, den wir in Issa beobachtet haben. Für Weibchen mit Jungtieren könnte der Druck besonders hoch sein.” Außerdem bewegen sich Issa-Schimpansen häufiger hangelnd fort. Dieses Verhalten wurde bisher nicht mit offenen Lebensräumen in Verbindung gebracht. Die Forschenden vermuten, dass es sich dabei um ein adaptives Verhalten handelt, das der effizienten Navigation im offenen Kronendach dient. Die Ergebnisse der Studie stellen bisherige Annahmen in Frage, dass offene Habitate eine geringere Arborealität begünstigen und zeigen, dass Geschlechtsunterschiede bei der Rekonstruktion des Positionsverhaltens von Homininen – und deren Interpretation – berücksichtigt werden sollten.
Originalveröffentlichung:
Rhianna C. Drummond-Clarke, Tracy L. Kivell, Lauren Sarringhaus, Fiona A. Stewart, Alex K. Piel
Sex differences in positional behavior of chimpanzees (Pan troglodytes schweinfurthii) living in the dry and open habitat of Issa Valley, Tanzania
American Journal of Biological Anthropology, 26 July 2024, https://doi.org/10.1002/ajpa.25007
Kontakt:
Rhianna Drummond-Clarke
Abteilung für Menschliche Ursprünge
Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, Leipzig
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Sandra Jacob
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, Leipzig
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